Sauerei - 21. Februar 2010
Wir spazieren durch eine kleine Seitengasse in Hoi An, Vietnam. Bunte Lampione säumen die Strassen dieses UNESCO Weltkulturerbeortes, Mopeds rauschen an uns vorbei, ein säuerlicher Gestank liegt in der Luft, wir tragen erstmals seit Monaten Jacken, ein kühlender Wind säuselt um unsere Ohren. Die Nachtgeräusche werden durch schreiende Grunzlaute durchbohrt. Ein Lastwagen steht am Strassenrand, die Seitenplanke ist heruntergeklappt und zehn Schweine stehen auf der Ladefläche. Ihre Augen sind erfüllt von einer panischen Angst, denn mit Stöcken werden sie vom Lastwagen getrieben. Der über ein Meter hohe Sprung wissen sie nicht, wie zu meistern. Sie landen auf dem Rücken, platt auf dem Bauch oder verletzen sich die Beine.
Sie werden mit Stöcken in eine Hintergasse getrieben, wissen sie, dass sie wohl das letzte Mal in ihrem Leben einen Sternenhimmel erblicken können? Die ganze Quälerei und die Stockhiebe nehmen ihren Lauf und erfüllt mich mit grosser Traurigkeit. Die Schweine tun mir so richtig leid.
Die letzte Sau ist ausgeladen, sie versteckt sich unter dem Laster, die Männer packen sie am Schwanz und ziehen sie mit aller Kraft hervor. Der Lastwagenführer macht den Motor an, dies erschreckt die Sau dermassen, dass sie lieber den Stockhieben nachgibt. Ich hätte ihr die Flucht gegönnt, obwohl sie wohl nicht weit gekommen wäre. Der nächste Kochtopf hätte alsbald auf sie gelauert.
Der Lastwagen fährt in die Dunkelheit der Nacht und von den Schweinen liegt nur noch der Väkalgestank in der Luft. Plötzlich öffnet sich die Türe des Nachbars. Ein grosses Geschrei und Gezanke zwischen den beiden Nachbarn entflammt, ein Handgemenge und ich sehe nur noch, wie sie die Schweinestöcke wieder holen. Die benachbarten Familien gehen aufeinander los. „Buben, weg hier!!!“, rufe ich, „Das gibt eine Schlägerei!“ Wir überqueren die Strasse und stellen uns zu einer Gruppe Vietnamesen, die das Geschehen mitverfolgt. Eine Frau neben uns spricht Englisch und erläutert uns den Sachverhalt.
Es geht um die Schweine. Der eine Nachbar ist offensichtlich nicht glücklich über die schweinische Nebeneinkunft des anderen. Dem Hobbymetzger scheint es an Infrastruktur und Zulassung für das Halten oder Schlachten der Tieren zu fehlen. Die Frauen versuchen zu schlichten, die Männer sind ausser sich. Sie schreien, gestikulieren, gehen mit den Fäusten aufeinander los, fluchen und schreien sich wieder an. Nach einer halben Stunde beruhigt sich die Situation. Die Frauen haben die Männer zur Vernunft gebracht... wenigstens für heute.
Ich bin so froh, dass wir daheim so liebe Nachbarn haben und diese keine Schweine schlachten im Vorgarten und hoffe, dass keiner von ihnen während unserer Abwesenheit ins Saubusiness eingestiegen ist...