Keine einfache Kost! - 1. Februar 2010

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Uff, wo soll ich nur beginnen! Die Bilder in meinem Kopf laufen im Eiltempo vor meinen Augen durch. Der Film zeigt wundervolle Villenanlagen hinter meterhohem Stacheldraht, modernste Paläste mit den Logos sämtlicher Hilfswerke versehen, strengstens bewacht und ebenfalls hinter meterhohen Mauern. Da sind aber auch die Wellblechhütten, die so armselig sind, dass sie schon wieder romantisch ausschauen. Ein Bild, das zuerst verdaut werden muss. Man kann und darf doch Armut nicht als romantisch bezeichnen! Da sind auch die bettelnden Kinder, die die Touristen mit traurigem Blick zum Bezahlen von US$ animieren wollen, die aber gut genährt sind und fliessend Englisch sprechen. Die wirklich armen Kinder kommen wohl nicht an die optimalen Ecken heran. Da sind aber auch die vielen dreisten Bettlerinnen, die sich die Babys auf dem Arm stundenweise ausleihen. Ein Kleinkind auf dem Arm scheint sich zu lohnen.



Ich lese soeben ein spannendes Buch, von einem Amerikaner, der jahrelang hier in Kambodscha gelebt und unterrichtete hat. Seine Geschichten über die Landminenopfer, die von den Hilfswerken topmoderne Protesen erhalten hätten, diese aber zum Betteln lieber daheim lassen würden... All diese Geschichten sind aus unserer Sicht kaum glaubhaft, doch wenn man hier die Gassen runterläuft, beginnt man sie zu glauben.



Da beobachten wir, wie sich ein Bettler bei unserem Anblick auf den Strassenrand setzt, eine unterwürfige Haltung annimmt, die Hand ausstreckt und uns mit grossen traurigen Augen um einen Dollar bittet. Kaum sind wir aus seinem Blickwinkel verschwunden, zieht er sein Hemd zurück und guckt auf seine Uhr. Offensichtlich ist seine Bettelzeit zu Ende, denn er drückt sich hinter mir im Lebensmittelgeschäft vorbei und leistet sich eine Büchse Getränk.



Da sind aber auch all die Eindrücke, die ich während der TukTuk Fahrt heute aufgenommen habe. Auf der Strasse herrscht ein noch nie erlebtes Chaos. Während unserer Fahrt schliesse ich mehrmals die Augen, um meinem Schicksal nicht direkt ins Angesicht blicken zu müssen, da ich überzeugt bin, dass es dieses Mal „chlöpft“. Es herrscht zwar Rechtsverkehr, doch daran hält sich offenbar keiner. Es kommen einem permanent von überall Fahrzeuge und Lastwagen entgegen. Inmitten der vielen Töfflis, Tuktuks, Autos und Velos erblicke ich einen Elefanten! Mitten auf der Strasse! Komischerweise sind viele Fahrzeuge deutsche Luxuskarossen. Welch ein Kontrast!



Da sind aber auch die Bilder in meinem Kopf vom „Killing Field“, welches wir heute besuchten. Über die Schreckenstaten der Roten Khmer - keine leichte Kost für alle vier von uns. Ein Krieg, der sich vor jüngster Zeit abgespielt hat. Ein Krieg, dessen Folgen nach wie vor so sichtbar sind und doch sind es gerade wieder die aufdringlichen Bettler, die einem zurück in die Gegenwart holen. Wir verteilen keine Dollars, die kleinen Jungs werden aufdringlich. Ältere Buben, die zu gross fürs Betteln sind, sprechen ganz normal mit uns, erzählen vom Fischfang, von ihren Häusern, ihrem Alter und da werden wir wieder unterbrochen vom kleinen Bruder, der von uns unbedingt einen Dollar will. Ich soll ihn fotografieren ... für Geld! Ich frage ihn: „Gehst du zur Schule?“ Er antwortet: „You give me money, then I go to school!“ Ich antworte ihm: „Nein, du gehst regelmässig zur Schule, dann kannst du Geld verdienen und brauchst nicht zu betteln!“



Vieles, das wir erblicken, verstehen wir mit unserem Gedankengut nicht, im speziellen, nachdem wir einen Monat in Thailand waren. Die Geschäftigkeit der Thais, das Lächeln und die Höflichkeit hat es definitiv noch nicht bis hierher geschafft.



Betreffend Business Sense: Für die Wäsche, sollen wir US$ 1.-- je Stück bezahlen. Schon für ein Hemd oder eine Hose einen stolzen Betrag, doch was ist mit einer Unterhose oder gar einem Socken? „Costs one Dollar per piece!“ Dafür kann ich mich im Markt ja neu einkleiden! Wir kommen uns sehr übers Ohr gehauen vor. Reto schläft vor, sie sollen es doch so machen, wie die Thais : 1 kg Wäsche = US$ 1.--. Dass die Thais es besser machen, hören die Kambodschaner aber gar nicht gerne und wir waschen die Wäsche selber, obwohl es ein grosses Schild im Zimmer hat: Selber Wäschewaschen strikte verboten!



Der Kampf um die Dollars in unserer Hosentasche ist nervend. Zum Beispiel will der Mensch in der Hotellobby jedes Mal genau wissen, wohin wir wie lange gehen und wehe, man antwortet ihm: „Wir gehen morgen mit dem Bus nach Siem Reap.“ „When do you go? Do you have bus ticket? I can buy you bus ticket.“



Bald haben wir herausgefunden, dass die Busstation gerade mal 50 Meter neben dem Hotel liegt, und dass die Preise dort wesentlich unter denen des Hotels liegen. Wir kaufen das Ticket direkt am Schalter und erklären dies dem Hotelmenschen. Seither redet er nicht mehr mit uns. Das ist unfreundlich aber nicht wirklich schlimm! So kommen wir seit heute das erste Mal ohne Belästigung aus dem Hotel... aber leider nur bis durch die Türe!



Es ist doch sehr zu hoffen, dass Phnom Penh bald herausfindet, wie man Touristen glücklich macht - denn Tourismus scheint eine der wenigen Chancen für dieses Land zu sein, der Armut zu entfliehen.



Nachtrag: Obiger Blog bezieht sich auf Phnom Penh, Kambodschas Hauptstadt, die Welt, die wir in Siem Reap angetroffen haben, ist in keiner Art und Weise mit ersterer zu vergleichen!